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Festival der Klänge –
fünfter Konzertabend am 28. Oktober 2009 Eine Rückschau von Franz Patocka
Tymur Melnyk ist ein Zauberer! Diese etwas übersteigert anmutende Bezeichnung charakterisiert den aus der Ukraine stammenden vierundzwanzigjährigen Violinisten besser als jedes andere Beiwort. Dabei hatte er es an jenem Mittwoch gar nicht leicht, denn unsere kleine Kapelle steht bekanntlich an einer der Wiener Hauptverkehrsstraßen, und mitten in der Woche ist der Abendverkehr unter Umständen ziemlich heftig. Unser Stammpublikum weiß das aber und ist daran gewöhnt, und vielleicht ist gerade der Kontrast zwischen dem Draußen und dem Drinnen etwas, das die Besonderheit der St. Johannes-Nepomuk-Kapelle, einer Oase inmitten der großstädtischen Geschäftigkeit, ausmacht. Nach vier Klavierabenden in Folge durfte diesmal eine Geige die Hauptrolle spielen. Das Motto, das der Geiger über diesen Konzertabend setzte, hieß „Abschied“ – in langen Konzertreisen musste er immer wieder von Menschen Abschied nehmen, die ihm viel bedeuteten –, und der schwermütige Grundton drang manchmal schwächer, manchmal deutlicher durch, aber irgendwie war er immer spürbar. Gleich mit dem ersten Programmpunkt, einer Bach-Chaconne für Violine solo, setzte Tymur Melnyk einen bedeutsamen Akzent: Wer die komplizierten, verschlungenen Passagen des großen spätbarocken Komponisten so traumwandlerisch sicher und doch so differenziert hinüberzubringen vermag, der braucht gegen den rauschenden Straßenverkehr nicht anzukämpfen, denn das Publikum hört ohnehin nur noch sein Spiel.
Gemeinsam mit dem zurückhaltend, aber keineswegs zaghaft auf den Solisten eingehenden koreanischen Pianisten Sang-Wook Jung bestritt der Geiger nach dem Eröffnungsstück den Rest des Abendprogramms. Vor der Pause verzauberte er uns noch mit Massenets „Meditation“ (Flageolett-Töne vom Feinsten!), mit Mozarts Sonate KV 304 sowie mit Fritz Kreislers „Präludium und Allegro“. Kreisler verlangt dem Interpreten eine Menge ab, nicht zuletzt Kraft, und die war ausreichend vorhanden. Im zweiten Teil kam das Abschieds-Motto klarer an die Oberfläche: Hier zeigte der Künstler im „Ave Maria“ von Schubert und der „Air“ von Bach, dass er nicht allein den kraftvollen, virtuosen Bogenstrich zu setzen versteht, sondern auch das Getragene, im Pianissimo Verhauchende in seinem Repertoirekoffer hat. Bei diesen langsamen Stücken sorgte der geschickt dosierte Vibrato-Einsatz dafür, dass die Gefahr eines allzu süßlichen Dahinschmelzens gar nicht erst aufkommen konnte. Zwischen diesen beiden Werken war ein sehr „slawisches“ Stück von dem hierzulande wenig bekannten Russen Aleksej Muravljev zu hören. Muravljev – ein Komponist, den es noch zu entdecken gilt. Eine Bach-Chaconne zu Beginn, Tommaso Vitalis Chaconne am Ende, damit schloss sich der Kreis einer sehr klug ausgewählten Programmfolge. Die großartige Klavierbegleitung machte überdies Appetit darauf, Sang-Wook Jung einmal als Solisten begrüßen zu dürfen. Der Star des Abends hatte natürlich noch eine Zugabe im Köcher: Paganinis Caprice Nr. 24. Dieses Stück ist ein echter Prüfstein für einen Violinisten. Was immer es an technischen Herausforderungen geben mag, hier ist alles enthalten, aber unser Künstler meisterte alle Hürden, ohne dass man an irgendeiner Stelle den Eindruck gehabt hätte, er wäre an der Grenze des Leistbaren. – Tymur Melnyk ist ein Zauberer!
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